Als ich alt genug war, um zu verstehen, habe ich meine Eltern mit Fragen gelöchert. Warum haben eure Eltern das zugelassen, was im 3. Reich passiert ist? Warum haben Sie nichts getan? Eine wirkliche Antwort habe ich nicht bekommen. „Wir haben doch nichts gewusst“, meinte meine Mutter einmal, als sie meine (jahrelange) Fragerei wohl endgültig leid war. Inzwischen bin ich viele Jahre älter, und die Welt gerät erneut aus den Fugen. Jahrzehnte später bildet sich nicht nur in Deutschland eine rechte Masse heraus, welche unsere Freiheit bedroht. Dazu immer wieder die Bilder aus Aleppo, die niemandem mehr verborgen bleiben können.
Damals gab es nicht die Möglichkeiten, die das Internet heute bietet. Die Verbundenheit der Welt ist eine viel innigere geworden, zumindest was die Möglichkeiten in den Sozialen Netzwerken angeht. Keiner von uns kann mehr wegschauen, kann sich den Bilder entziehen, den Toten, den Verletzten, den Verhungernden. Die Vertriebenen von einst, die selbst deutsche Flüchtlinge waren, haben es nicht geschafft, dieses Land zu lehren, dass wir ein Land der Hilfe sein sollten. Gerade weil wir wissen, dass ein „Niemals wieder“ nicht nur Worte bleiben dürfen.
Doch genau dies sind es inzwischen: Worte, die einen schalen Beigeschmack haben. Die Weltöffentlichkeit nimmt am Untergang von Aleppo teil, und doch sind die Hände der Menschen gebunden, die dieses schreiende Elend nicht mehr ertragen können. Nicht, weil sie es nicht verdrängen können, sondern weil sie es nicht verdrängen wollen. Doch die von uns gewählten Volksvertreter tun genau dies: sie schauen weg, sie tun nichts. Weder in Deutschland, noch auf europäischer Ebene. Auch der Aufschrei der Christen bleibt bisher aus. Weder im Kampf gegen Nazis und Rechtspopulisten begehrt die breite Masse der Christen auf, noch bei dem, was Aleppo uns jeden Tag sehen lässt.
Ich schäme mich. Als Deutsche. Als Europäerin. Als Christin. Als Mensch. Ich schäme mich. Weil das „Niemals wieder“ längst wie ein Bumerang zurückgekommen ist, und uns Tag für Tag um die Ohren fliegt. 2017 stehen in Deutschland und Frankreich Wahlen an. Beide Länder, und in der Folge auch Europa, könnten sich maßgeblich verändern. Aleppo wird es dann vielleicht gar nicht mehr geben. Aber anstatt etwas zu tun, in unserem Land, in Europa, in dieser Welt, wird tatenlos weiter zugeschaut. „Taten schreien lauter als Worte“, das ist das, was ich selbst im Leben gelernt habe. Ich selbst habe nur Worte, da ich nichts tun kann. Meine Gebete und Tränen sind mit Aleppo, und mit meinem Vaterland, das sich endlich aufmachen muss, dieses „Niemals wieder“ zu leben, und in Taten umzusetzen.
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