Eigentlich wollte ich vor Tagen einen tollen, inspirierten, gut durchdachten Text zur Jahreslosung 2020 schreiben. Doch der Text wurde zu einem regelrechten Rohrkrepierer. Das war nicht ich, das waren nicht meine Worte, das war alles, nur kein guter Text. Ich habe es dann gelassen und plötzlich stürmte Anderes auf mich ein. Es wurde ein so heftiger Sturm in meinem Herzen, dass ich gestern Nachmittag verzweifelt in einer Kirche saß und betete. Mein Gebet endete mit den Worten aus der Jahreslosung: Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben!
Das, was den eigenen Glauben ausmacht, was einen jahrelang getragen hat, für kurze Zeit aus dem eigenen Herzen zu verlieren, das ist schlimm. Das ist entsetzlich. Mein früheres, steinernes Herz fing an, sich wieder in meinem Leben breitzumachen. Mein Herz wurde hart, ich war zornig wie schon seit langer Zeit nicht mehr. Mein Herz gefror fast völlig zu Eis. Ich konnte fast keinen Menschen mehr ertragen, hasste den allergrößten Teil der Menschheit und war nicht mehr der Mensch, der so vertrauensvoll mit Gott lebte.
Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Viel mehr Worte hatte ich gestern nicht mehr. Ich ging in die Kirche, weil das der einzige Ort war, an dem ich noch beten konnte, weil ich überall anders keinen Raum fand, um zur Ruhe zu kommen. Ich saß in der Kirche und war ganz alleine. Nur Gott und ich, und niemand sonst.
In den ersten Minuten saß ich nur da und sagte nichts. Mein Kopf war voller Gedanken, voller Sturm, mein Herz schwer von all dem, was ich in den letzten Monaten an Emotionen nicht zugelassen hatte. Eine schlechte Nachricht nach der anderen hatte mein Leben völlig auf den Kopf gestellt und das nicht gute Weise. Ich habe mich im Verlaufe der Monate selbst verloren, ohne es zu merken, was mein Herz stückchenweise immer härter und kälter werden ließ.
Und nachdem Minuten
verstrichen war und ich plötzlich sehen konnte, wie schön diese
Kirche ist, war mir bewusst, dass es genau der Ort war, an dem ich
Gott begegnen konnte mit all dem, was mich so fertigmachte. Ich war
nicht das erste Mal in dieser Kirche gewesen. Aber ich sah sie mit
anderen Augen. Und ich sah auch mich mit anderen Augen. Da war ich,
voller Zorn und voller Schmerz und fühlte mich überfüllt mit
Gefühlen und leer zugleich.
Es war der Ort, an den ich kommen musste, um Gott zu bitten: Ich glaube; hilf meinem Unglauben!
Weil ich nur dort die Farben der Fenster sehen konnte. Weil ich nur dort Jesus am Kreuz begegnen konnte. Und weil es der Ort war, an dem ich all den Ballast lassen konnte, der mich so sehr nach unten zog.
Kirchen hatten für mich schon immer etwas ganz Besonderes, ganz Magisches. Auch in den Zeiten, in denen ich in Freikirchen oder auch gar nicht mit Gott unterwegs war, war eine Kirche für mich immer ein besonderer Ort. Es war der einzige Ort an diesem Tag, an dem ich mich von Gott finden lassen konnte, weil Er selbst ja nie verschwand.
Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Gott hat mein Gebet von gestern Nachmittag erhört. Er hat Abends mein langsam wieder zu Stein werdendes Herz berührt und mich wieder frei gemacht von dem, was mich so sehr fertig machte, dass ich so hart und kalt geworden war.
Ja, dieser Text ist so ganz anders geworden, als ich ihn gedacht hatte. Doch wie oft denken wir, wir schaffen was aus eigener Kraft, aber Gott ist gar nicht dabei und findet gar keinen Raum darin.
Ich denke, zweifeln und suchen und manchmal eben auch verzweifeln gehört zum Glauben dazu. Es ist ein Teil davon und es macht uns Menschen aus. Gott liebt uns deshalb nicht weniger oder gar nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Er liebt uns jeden Moment, egal wo wir gerade stehen im Leben und auch egal was das Leben mit uns gerade macht. Wir Christen sind nicht davor bewahrt, dass schlechte Zeiten kommen oder schlechte Nachrichten über uns einprasseln. Gott bewahrt uns auch nicht davor, Mensch zu sein und menschlich zu reagieren auf das, was uns passiert. Doch wir können jederzeit zu Gott kommen, auch mit dem ganzen Zorn und dem Hass, der in uns gährt.
Das ist beruhigend. Das ist erleichternd. Und es befreit uns auch von dem irrigen Gedanken, wir müssten perfekt sein als Christen, müssten immer lieben, dürften niemals hassen oder wütend sein. Denn das ist nicht das, was Gott von uns verlangt. Er verlangt gar nichts von uns. Er hofft nur, dass wir in unseren Herzen tragen, dass Er uns bedingungslos liebt. Bedingungslos meint wirklich bedingungslos, ohne jede Bedingung. Durch nichts, was wir tun, können wir uns mehr von Gottes Liebe verdienen: Und wegen nichts, was wir tun, würde Gott uns jemals weniger lieben.
„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ – Die Jahreslosung 2020 steht im Markus-Evangelium, Mk. 9,24. Die Geschichte, in der diese Bibelstelle steht, ist eine ergreifende Geschichte. Es geht um die Heilung eines besessenen Jungen. Am Ende dieser Geschichte, als der Junge geheilt ist, sagt Jesus: „Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten.“ (Mk. 9,29). Gebet spielt auch hier eine tragende Rolle. Ob Jesus damit die Worte meinte, die er sprach oder das Gebet des Vaters des Jungen, „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass Gott mein Gebet erhört und mitten in mein Herz gesprochen hat.
25. Oktober 2019 um 07:10 Uhr
Danke für deine Worte. Du hast mir damit gerade sehr geholfen. Ich habe ähnliches bereits erlebt und weiß, wie befreiend es ist Gott sagen zu horen: „Ich liebe dich.“
25. Oktober 2019 um 10:29 Uhr
Liebe Ines, Danke für Deine Rückmeldung. Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute und dass Du niemals vergisst, dass wir auch mit unserer Verzweiflung und unserer Angst zu Gott kommen können. Gottes Liebe ist zum Glück nicht an unser Verhalten und an unsere Werke gebunden. Gottes Segen für Dich! Christel
26. Oktober 2019 um 12:14 Uhr
Für diesen Text sich zu entscheiden, war eine gute Idee. Gerade auf Twitter entdeckt und aufgedeckt 😉 = Sehr gern gelesen. Herzliche Grüße vom Niederrhein.