Lieben lernen, kann man das wirklich? Wie sieht es aus, wenn man in einer lieblosen, liebesfremden Umgebung aufgewachsen ist und nur Hass und Gewalt um sich herum erlebt hat, aber niemals das Gefühl hatte, geliebt zu werden? Kann man lieben lernen?, dies ist eine der Fragen, die ich mir in diesem Jahr gestellt habe, und inzwischen habe ich zumindest meine persönliche Antwort darauf gefunden.
Ja, ich konnte es, lieben lernen, auch wenn es Jahrzehnte gedauert hat, bis ich an den Punkt gekommen bin, Liebe für einen anderen Menschen zu empfinden. Aufgewachsen in einem Umfeld, das von Hass und Gewalt getrieben wurde und in dem Liebe nicht mal verbal ein Thema war, und schon gar nicht nonverbal, und in dem Missbrauch und verbale wie körperliche Gewalt jahrelang an der Tagesordnung waren, habe ich mich mein Leben lang nicht dazu in der Lage gefühlt, andere Menschen zu lieben.
Es dauerte Jahrzehnte, bis endlich der Hass aus meinem Herzen verschwunden war und Gott das steinerne Herz in ein fühlendes Herz aus Fleisch und Blut umgewandelt hatte. Doch auch da war es noch nicht geschafft, ich war einfach nicht in der Lage, Liebe für andere Menschen zu empfinden, mögen war dabei das höchste der Gefühle, und bis heute fällt es mir schwer, andere Menschen allein nur zu mögen, es dauert ja meist schon lange, bis ich jemanden überhaupt wirklich auf meine Art und Weise sympathisch finde.
Für mich war Liebe deshalb immer ein Mysterium, ein Geheimnis, das ich zu entdecken, zu enträtseln mir wünschte, aber das ich einfach nicht verstand. Wer nie geliebt wurde in seiner Kindheit und Jugend, der hat irgendwie wohl einfach das Herz so dicht, dass kaum mehr jemand wirklich hinter diese Mauern dringen kann, auch wenn man es sich wünscht.
Irgendwann wurde mir darüber bewusst, dass ich vielleicht mein Leben lang darauf warten werde, geliebt zu werden, wenn ich gar nicht bereit dazu bin, geliebt zu werden. Weil ich mich nicht in der Lage dazu fühlte, zu lieben. Ich wusste, ich bin von Gott geliebt, und Er ist mein Vater, der nur mein Bestes im Sinn hat. Aber von einem Menschen geliebt zu werden, das ist etwas, was ich mir sehnlichst wünschte, aber nie fand. Weil ich immer eine Andere war und nie jemanden wirklich an mich ranließ.
Bis ich begriff: Lieben lernen kann ich nur, indem ich selbst anfange zu lieben, indem ich mich selbst auf den Weg mache zu anderen Menschen und indem ich endlich anfange, auf andere zuzugehen. Und mit der Zeit merkte ich, dass ich mir auf diesem Weg immer mehr selbst näherkam, und mich immer mehr öffnete. Heute weiß ich, dass Liebe viele Facetten hat und dass man Menschen auf unterschiedliche Weise lieben kann, und egal auf welche Weise, diese sehr tief gehen kann. Heute weiß ich, dass ich liebe, und es ist das seltsamste Gefühl, das ich jemals hatte, aber es ist auch das schönste und kostbarste Gefühl gleichermaßen. Weil ich dabei merke, es geht nicht darum, dass Bedingungen erfüllt werden müssen, sondern dass ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Menschen lieben kann. Dass ich spüre, dass es dabei nicht mehr um mich geht, sondern darum, dass dieser Mensch glücklich ist und glücklich wird.
Dieses Jahr des Umbruchs, durch das ich seit Mitte Dezember des letzten Jahres gegangen bin, hat mich sehr verändert. Es hat meine Beziehung zu Gott vertieft, es hat mir gezeigt, dass meine Grenzen erweiterbar waren, es hat mir gezeigt, dass sich „mit beiden Beinen auf dem Boden stehen“ und „den Kopf voller Träume zu haben“ einander nicht ausschließen, sondern einander bedingen, damit ich glücklich sein kann. Und dieses Jahr hat dazu beigetragen, dass ich eine andere geworden bin im Umgang mit Menschen, in der Offenheit, die ich Menschen gegenüber an den Tag legen kann. Und die Liebe trat in mein Leben, anders als ich es immer gedacht habe, anders als ich es mir immer gewünscht habe, und doch viel schöner als alles, was ich mir jemals in meinem verwirrten Herzen hätte ausdenken können.
„Das bedeutet aber, wer mit Christus lebt, wird ein neuer Mensch. Er ist nicht mehr derselbe, denn sein altes Leben ist vorbei. Ein neues Leben hat begonnen!“ 2. Kor. 5,17 (Neues Leben. Die Bibel)
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