Ich bin mit 18 gläubig geworden. Das ist inzwischen viele viele Jahre her. Und trotzdem stehe ich manchmal noch ganz am Anfang. Ich denke, dass es jedem Christen so geht. Dass es immer noch etwas gibt, was wir lernen können. Dass es vieles gibt, was wir voneinander lernen können. Und dass Gott uns aus diesem Lernen nicht „entlassen“ wird, solange wir auf dieser Welt, und noch atmen. Ich habe in meinem Leben viel über Sünde nachgedacht. Mir wurde viel an den Kopf geknallt. Sprüche, wie „Gott liebt den Sünder, aber hasst die Sünde“. Sprüche, die mich von Gott weggetrieben haben. Sünde aber ist nicht das, was andere für Sünde halten mögen. Unsere Sünde ist das, was uns von Gott trennt. Meine Sünde ist das, was mich persönlich von Gott trennt.

Da hat jeder mit anderen Sachen zu kämpfen. Wir alle befinden uns auf unterschiedlichen Baustellen in unserem Leben. An denen Gott mit uns am Arbeiten ist. Wo Er mit Liebe auf das zeigt, was uns von Ihm trennt.

In meinem Herzen wurde viel an Vertrauen zerstört, das ich in andere Christen hatte. Plötzlich war ich, die man mich jahrelang kannte, und auch um meine Berufung wusste. Nur noch die Sünderin. Mehr nicht. Ich war reduziert. Ich wurde reduziert auf etwas, was ein Teil von mir ist. Mit dem ich geboren wurde. Ich wurde zur Sünderin gemacht, nur weil ich homosexuell bin.

Und, was kam Dir/Ihnen gerade als Gedanke? Möchte ich Dich/Sie provokativ fragen. Dass ich eine Sünderin bin? Oder dass ich so, wie ich bin, von Gott geliebt bin?

Ich habe Jahrzehnte gebraucht, um zu verstehen, dass ich zwar in manchem ganz schön an dem vorbeilaufe, was Gott als Plan für mein Leben für mich hat. Aber meine sexuelle Orientierung trennt mich nicht von Gott. Weil ich mich so, wie ich bin, von Gott geliebt weiß. Deshalb ist meine Homosexualität auch keine Sünde im Sinne einer Sünde = der Trennung von Gott.

Meine Sünde ist das, was mich trennt von Gott. Deine Sünde ist das, was Dich trennt von Gott. Das können ganz unterschiedliche Sachen sein. Du kannst vielleicht Alkohol trinken, und hast kein Problem damit. Dann ist es keine Sünde, für Dich. Würde ich Alkohol trinken, und wieder in meine Sucht verfallen, wäre es Sünde, meine Sünde. So wie jeder Mensch individuell ist, so sind auch unsere Sünden individuell. Da gibt es kein: ein Ding gilt für alle.

Die Bibel ist kein Gesetzbuch. Das habe ich irgendwann auch verstanden. Die Bibel ist mein Wegweiser. Und ja, da gibt es einige wenige Bibelstellen zur Homosexualität. Aber nur wer diese im Kontext liest, anstatt sie wie Gülle über homosexuelle Menschen auszuschütten, kann sie letztlich verstehen.

Ich bin eine Sünderin. Wenn ich Dinge mache, die mich von Gott trennen. Aber Homosexualität ist nicht meine Sünde. Weil es mich nicht von Gott trennt. Vielleicht hat es mich dem Verstehen der großen Liebe Gottes für mich sogar näher gebracht.

Meine Sünden sind nicht Deine Sünden

In den Jahrzehnten, seit ich Christin wurde, habe ich alles Mögliche erlebt. Ich wurde verurteilt. Ich wurde geliebt. Ich wurde verachtet. Für mich wurde gebetet. Heute weiß ich, dass jeder Einzelne all das, was er (oder sie) tat, vielleicht sogar nur gut gemeint hat. Um mich „auf den rechten Weg“ zurückzubringen. Mich hat es damals aber vertrieben. Aber ich habe gelernt, zu vergeben, und für die zu beten, die mich einst so tief verletzt haben.

Inzwischen gehe ich meinen Weg mit Gott mit Blick auf Ihn und nicht auf Menschen. Ich weiß mich geliebt mit der bedingungslosen Liebe, die Gott jedem Menschen entgegenbringen will.

Sünde ist das, was mich von Gott trennt. Sünde ist immer etwas Persönliches. Und darum ist mein Gebet:

Herr, lass nicht zu, dass ich über meine Kraft versucht werde. Herr, lass nicht zu, dass etwas zwischen uns kommt, das mich von Dir trennt. Herr, lass nicht zu, dass ich mich abwende von Dir, weil ich glaube, woanders mehr zu bekommen als das, was Du mir gibst. Du bist der Maßstab meines Lebens. Du bist alles für mich. Ich möchte nicht von Dir getrennt sein. Sondern bis zum letzten Atemzug mein Leben mit Dir, und für Dich leben. In Jesu Namen, Amen.“