Meine Mutter hat mir früher immer wieder an den Kopf geworfen, ich soll dankbar sein. Eines Tages habe ich ihr an den Kopf geworfen: Für was soll ich dankbar sein? Dass ich als Kind Hunger leiden musste? Dass ich wegen euch (Anmerkung: wegen meinem Elternhaus und der Trunksucht meines Vaters) in der Schule verachtet wurde, und eine Außenseiterin war? Dankbarkeit, das Wort habe ich damals gelernt zu hassen. Damals, das weit weg ist. Nach Jahrzehnten konnte ich meiner Mutter endlich vergeben. Dankbar bin ich ihr bis heute nicht. Wer meine Lebensgeschichte auch nur zum Teil kennt, der weiß auch warum. Aber ich habe vor allem in den letzten gut 13 Jahren viel über Dankbarkeit gelernt. Dankbarkeit gegenüber Gott. Dankbarkeit gegenüber den Menschen, die vor Jahrzehnten auf Gott gehört haben, als Er mich auf ihr Herz gelegt hat. Und die nicht aufhörten, für mich zu beten, und daran zu glauben, dass Er tatsächlich eine Berufung auf mich gelegt hat.
Gott dankbar sein zu leben, das war für mich ein langer Weg. Ich habe viele Menschen durch Alkohol und Drogen verloren. Durch Suizid und auch durch AIDS. Ich habe mich so viele Jahre lang schuldig gefühlt. Dass ich überlebt habe. Dass ich meine Sucht in den Griff bekommen habe, und trocken werden konnte. Dass ich noch einmal eine Chance bekommen hatte.
Gott hat den Schmerz nicht ohne Grund zugelassen
Für mich war es ein weiter Weg, zu begreifen, dass auch dahinter Gottes Plan für mein Leben stand. Schmerzhafte Abschiede. Gräber, an denen ich nicht stehen konnte, wollte, weil es mich innerlich zerriss. Einsamkeit, die durch die Konstellation meiner Familie und ihrer Handlungen schon von klein auf mein ständiger Begleiter war. Tiefe Wunden, die durch mein Außenseiter-Dasein in mein Herz gerissen wurden.
Erst vor ein paar Jahren habe ich begriffen, warum Gott das alles zugelassen hat. Nur so konnte ich zu dem Menschen werden, der ich heute bin. Der den Schmerz anderer oft schon sieht, ohne dass sie ihn wirklich zeigen oder sagen müssen. Der sich einfühlen kann in die schlimmen Dinge, die andere erleben oder erlebt haben. Dem klar geworden ist, wie wichtig es ist, für andere zu beten, wenn Gott sie einem aufs Herz legt.
Dankbarkeit, ein großes Wort
Heute ich bin ich von tiefer Dankbarkeit erfasst. Weil ich noch lebe. Weil Gott mich trotz all meiner Fehler, Schwächen, Umwege und auch sehr besch… Entscheidungen nicht hat fallen lassen. Stattdessen hat Er immer wieder Seine Berufung für mich erneuert. Und das rührt mich jedes Mal aufs Neue zu Tränen. Und ich bin nicht gerade am Wasser gebaut, wenn es um mich selbst geht.
Dankbar, das bin ich Gott, von ganzem Herzen. Ich weiß, viele Menschen verstehen mein Leben nach wie vor nicht. Das Wichtigste aber ist, dass Gott es versteht. Und dass Er auch meine Irrwege kennt, und um meine Zweifel weiß.
Für diesen Gott will ich leben. Weil ich weiß, dass Er immer dann an den Fäden gezogen hat, wenn ich Ihn ganz ans Ruder gelassen, und Ihm vertraut habe. Weil Er Dinge verändert hat. Weil ich trocken bin seit über 22 Jahren. Weil Er mich trotz Depressionen, die ich seit früher Kindheit habe, am Leben gehalten hat. Wem sollte ich Dankbarkeit zeigen als Ihm allein? Dem, der sich um mich kümmert. Der auf meine Gebete antwortet. Der Seine Versprechen hält. Und mich auch dann noch liebt, wenn ich Ihm wütend Dinge an den Kopf werfe. Ich bin Ihm von ganzem Herzen dankbar. Diesem Gott gehört mein Leben.
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