Das letzte Jahr hat in mir viele tiefe Wunden gerissen. Darüber hatte ich bereits geschrieben. Im Sommer sah es danach aus, als würde ich irgendwann in diesem Jahr im Rollstuhl sitzen. Freunde entpuppten sich als falsche Menschen, denen es am Ende nur um sich selbst, aber nicht um mein Leben ging. Meine Familie zeigte in letzter Konsequenz, dass Blut manchmal nichts Anderes als vergiftetes Wasser ist. Am Ende des Jahres 2016 hatte ich nicht nur eine fette Grippe, sondern noch heftigere Glaubenszweifel. Ich weiß nicht, wie oft ich zu Gott sagte: „Gibt es Dich wirklich, oder ist das irgendwie doch nur alles Einbildung von mir?“

In diesem Jahr ist alles anders. Das Ende hat sich als ein neuer Anfang entpuppt. Freundschaften und Bekanntschaften sind auseinandergebrochen, und ich dachte, ich würde nie mehr einem Menschen vertrauen können. Doch das kann ich, ohne dabei einen Zweifel zu spüren. Die Wunden, die gerissen wurden, brennen immer noch, die Narben sind verkrustet, aber sie werden immer heller.

Irgendwann wurde aus der Hoffnungslosigkeit neue Hoffnung. Aus den Glaubenszweifeln wurde neuer Glaube geboren.

Was sich als Ende anfühlte, machte einem neuen Anfang Platz. Neue Menschen sind in mein Leben getreten, ein anderer Mensch macht sich dazu auf, vom flüchtigen Bekannten vielleicht eines Tages zu einem guten Freund zu werden. Und ich? Ich habe wieder dieses Strahlen in mir, diesen Optimismus, der mir verloren gegangen war.

Vielleicht war es wirklich so, dass Gott zulassen musste, dass so viele Dinge zerbrechen, dass Begegnungen auseinanderbrachen, dass meine Krankheit schlimmer wurde, und meine Familie mir endgültig den Abschied gab, damit ich noch einmal von vorne anfangen kann. Nicht in einer anderen Stadt, wie ich dachte, sondern hier, wo ich lebe, wo ich bin, wo ich lernte, die zu sein, die ich bin, und das Leben hinter Masken hinter mir zu lassen.

Ich weiß nicht, was dieses Jahr noch mit sich bringen wird. Vielleicht wartet doch noch der Rollstuhl auf mich, doch die Symptome sind zurückgegangen. Ich habe die Hoffnung, dass es nun doch noch ein wenig länger dauert mit der Zeit, in der ich nicht mehr auf meinen beiden Beinen gehen kann. So hinke ich zwar mal mehr mal minder durch mein Leben, und habe immer wieder auch Lähmungserscheinungen an einer Hand. Und trotzdem fühle ich mich wieder auf dem richtigen Weg, auf der richtigen Spur, und von Gott getragen. Das Herz aus Stein, dass ich einst hatte, bleibt Vergangenheit. Lieber bin ich der Mensch, der ich bin, als jemals wieder zu sein wie die, die ich mal war, auf dem Höhepunkt meiner schweren Sucht. Das bedeutet zwar, dass immer wieder die Gefahr bestehen wird, so tief verletzt zu werden wie im letzten Jahr. Aber es bedeutet auch, Mensch zu sein, mitzufühlen, nicht wegzuschauen. Ich bin heute der Mensch, der ich immer sein wollte. Auch wenn ich nicht perfekt bin. Und eines weiß ich: Gott liebt mich, genau so, wie ich bin. Als ganz und gar nicht perfekte Christin.